Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte zu entscheiden, ob eine Verkäuferin in einem Supermarkt gesetzlich unfallversichert ist, wenn bei ihr eine Infektion mit dem COVID-19-Virus festgestellt wird (Az. L 3 U 114/23).
Die seinerzeit 58-jährige Klägerin war im Herbst des Jahres 2020 als Verkäuferin in einer Berliner Filiale einer überregional vertretenen Supermarktkette tätig. Dort füllte sie u. a. die Regale auf und arbeitete an der Kasse. Am 20.10.2020 ergab ein bei ihr durchgeführter PCR-Test einen für das COVID-19-Virus positiven Befund. Im Dezember 2021 teilte die behandelnde Hausärztin der zuständigen Berufsgenossenschaft mit, die Klägerin sei seit März 2021 wegen eines Long-Covid-Syndroms dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Die Verkäuferin selbst teilte mit, ihre sozialen Kontakte hätten sich damals so gut wie ausschließlich auf ihren Arbeitsplatz beschränkt, sodass sie davon ausgehe, sich die Infektion dort zugezogen zu haben. Einige Kunden hätten keine Mund-Nase-Maske getragen und der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern sei oft nicht eingehalten worden. Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, die Infektion mit dem COVID-19-Virus als Arbeitsunfall anzuerkennen und für die ärztliche Behandlung und Entschädigung der Klägerin aufzukommen. Eine konkrete Person (“Index-Person”), auf die die Infektion zurückzuführen sei, habe die Verkäuferin nicht benannt. Eine Ansteckung im nicht versicherten, privaten Umfeld sei bei lebensnaher Betrachtung nicht ausgeschlossen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin blieb ohne Erfolg.
Das Landessozialgericht hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Das Ereignis vom Oktober 2020 stelle keinen Arbeitsunfall dar. Eine Infektion mit dem COVID-19-Virus komme zwar grundsätzlich als Unfallereignis in Betracht und das Eindringen eines Krankheitserregers in den Körper und die nachfolgende Symptomatik stellten ein geeignetes Ereignis bzw. einen geeigneten Gesundheitsschaden dar, allerdings fehle es hier an dem erforderlichen Vollbeweis, dass sich die Übertragung des Virus tatsächlich im Supermarkt zugetragen habe. Zwar müsse für den Nachweis nicht zwingend ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person (“Index-Person”) während der Arbeit stattgefunden haben, es genüge aber auch nicht, dass das Risiko auf der Arbeitsstelle allein wegen der größeren Anzahl an Kontakten höher als im Privatbereich gewesen sei.
Hier konnten auch nach eigenen Angaben der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin sowie nach den Ermittlungen des Gerichts keine Kunden oder Kollegen ausfindig gemacht werden, mit denen die Klägerin im möglichen Ansteckungszeitraum in Kontakt stand und bei denen das COVID-19-Virus hätte nachgewiesen werden können. Eine vollständige Isolation der Verkäuferin im privaten Bereich könne bei lebensnaher Betrachtung nicht angenommen werden. Damit sei angesichts der pandemischen Ausbreitung letztlich nicht aufklärbar, wo sich die Verkäuferin mit dem Virus infiziert habe. Auch der Verweis der Verkäuferin auf erhöhte Infektionsrisiken in ihrem Beruf sei nicht geeignet, eine konkrete Infektion nachzuweisen. Ein solches generell erhöhtes Risiko wäre – in Abgrenzung zu einer konkret nachgewiesenen Infektion – allenfalls geeignet, eine (hier nicht in Streit stehende) Berufskrankheit zu begründen.
Die Klägerin kann beim Bundessozialgericht noch die Zulassung der Revision gegen die Entscheidung beantragen.
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